Karsten Strasser, Fraktionsvorsitzender der Linken in der Bezirksversammlung Altona, spricht im Interview über Bundespolitik, Bürgergeldreform, die Wahl des neuen Bezirksamtsleiters, die Kooperation von SPD, CDU und Grünen sowie über die Bedrohung der Demokratie durch rechtspopulistische Kräfte und den Umgang mit der AfD.
Das ist Karsten Strasser:
Karsten Strasser wurde 1967 in Dortmund geboren und lebt seit 1995 in Altona. Von 2004 bis 2010 war er als Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im Arbeits- und Sozialrecht tätig. Von September 2010 bis Februar 2015 arbeitete Strasser bei der Bürgerschaftskanzlei – der Verwaltung der Hamburgischen Bürgerschaft. Dort war er zunächst beim Untersuchungsausschuss „Elbphilharmonie“ und seit April 2014 beim Untersuchungsausschuss „Yagmur – Kinderschutz in Hamburg“ als wissenschaftlicher Mitarbeiter eingesetzt. Seit Februar 2008 ist Strasser Bezirksabgeordneter. Im Mai 2014 und 2019 ist er jeweils direkt im Wahlkreis Lurup in die Bezirksversammlung gewählt worden. Seit September 2022 ist Strasser Vorsitzender der Fraktion Die Linke.
Karsten Strasser ist seit Februar 2008, wurde 2014 und 2019 direkt in die Bezirksversammlung gewählt und ist seit September 2022 Vorsitzender der Fraktion Die Linke. Foto: DIE LINKE. Bezirksfraktion Altona
Herr Strasser, wie schauen Sie auf die aktuellen Entwicklungen und die Umfragen, die teils über 30 Prozent für die AfD zeigen?
Ehrlich gesagt: Wir sind mittendrin in einer Phase, in der das durchaus auf eine Regierungsbeteiligung oder sogar auf eine Regierung unter Führung der AfD hinauslaufen kann. Wenn die in neuen Umfragen in Ostdeutschland teilweise bei 39 Prozent liegen – wie soll das anders sein? Die große Koalition unter Führung von Kanzler Merz hat ja keine besonders gute Performance. Ich bezweifle, dass sich das in absehbarer Zeit wirklich eindämmen lässt. Und wenn sich so ein Trend erst mal verfestigt, ist er schwer zu drehen. Ich hoffe sehr, dass es nicht so weit kommt. Ich habe kein Interesse daran, dass sie in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt oder sonst wo die Regierung übernehmen. Aber klar – irgendwann wird auch die CDU in manchen Regionen umkippen. Das deutet sich ja schon an.
Gleichzeitig beschließt die Bundesregierung, das Bürgergeld zu reformieren. Wie nehmen Sie das wahr?
Ich verstehe manchmal nicht, wen die damit ansprechen wollen. Dieses ewige Hin und Her – erst wird etwas umgestellt, dann wieder zurückgenommen – das ist ein riesiger Bürokratieaufwand. Ganze Behördenapparate müssen in die eine Richtung umorganisiert werden und dann wieder in die andere. Das ist Wahnsinn. Ich bin ja selbst Sozialberater. In den Regelungen geht es um Einkommensanrechnung, Wohnraum, Mietobergrenzen – wann ist eine Wohnung zu teuer, wann gerade noch angemessen? Das ist alles hochkompliziert. Und dann kommt noch hinzu: Viele Menschen leben in Bedarfsgemeinschaften, einer studiert, der andere hat einen Minijob, dazu Kindergeld – das alles wird gegeneinander verrechnet. Am Ende kommt eine Kaskade von Änderungsbescheiden heraus, die kaum jemand durchschaut.
Wie erleben Sie das im Alltag Ihrer Beratung?
Die Menschen sind völlig überfordert. Viele haben ihre Unterlagen nicht so ordentlich abgelegt, wie das ein Beamter tun würde – das ist auch ganz normal. Dann fehlen Papiere, Bescheide kommen unvollständig an, und ich soll dazu etwas sagen. Aber beim Jobcenter kann ich niemanden direkt anrufen, weil mehrere Standorte in einem zentralen Callcenter zusammengefasst sind. Ich kann also oft gar nicht zeitnah nachfragen, wie der Stand ist. Ich bin ehrlich froh, dass ich nur einen kleineren Anteil an Bürgergeldfällen habe. Die meisten Ratsuchenden kommen wegen anderer sozialer Themen. Denn in einer halben Stunde pro Klient – das ist die Zeit, die ich habe – kann man diese Komplexität kaum bewältigen. Und wenn die Menschen dann keine schnellen Erfolge sehen, kommen sie nicht mehr wieder. Viele leben ohnehin in prekären Verhältnissen. Das ist ein Teufelskreis.
Was halten Sie in diesem Zusammenhang von den aktuellen Diskussionen über ein bedingungsloses Grundeinkommen?
Manchmal denke ich, das wäre gar keine so schlechte Idee. Nicht, weil es alle Probleme löst – das tut es sicher nicht –, aber weil es diese ganze Misstrauenskultur und den bürokratischen Irrsinn beenden würde. Der ganze administrative Kram, mit dem die Menschen nicht zurechtkommen, wäre mit einem Schlag weg. Natürlich müsste das auf der anderen Seite durch gerechtere Steuerregelungen für Besserverdienende finanziert werden. Aber grundsätzlich wäre das ein System, das Menschen wieder Vertrauen gibt, anstatt sie ständig zu kontrollieren. Heute ist es doch so: Wer einmal durchs Raster fällt, hat kaum eine Chance, wieder herauszukommen. Und gleichzeitig schaffen wir Regelungen, die immer neue Ausnahmen, Fristen und Rückzahlungsverpflichtungen produzieren – das ist alles andere als sozial gerecht.
Also fehlt dem System vor allem Pragmatismus?
Genau das. Man kann viel fordern, aber entscheidend ist, ob etwas praktisch umsetzbar ist. Und daran scheitert es gerade. Die Politik schafft immer neue Regeln, aber niemand denkt daran, dass die Verwaltung und die Menschen, die darin arbeiten oder beraten, das alles umsetzen müssen. So entsteht Frust – bei denen, die helfen wollen, und bei denen, die Hilfe brauchen.
Herr Dr. Kloth ist zum neuen Bezirksamtsleiter in Altona gewählt worden. Wie haben Sie die Wahl und die politischen Verhandlungen im Vorfeld erlebt?
Die Wahl war ja keine Überraschung mehr. Wenn man die Wochen davor aufmerksam beobachtet hat, konnte man schon sehen, wohin das läuft. Zwischen den drei großen Parteien in Altona – also SPD, CDU und Grünen – gab es offenbar etliche Verhandlungstermine, an denen wir als Linke nicht beteiligt waren. Wir hatten aber den Eindruck, dass CDU und SPD jeweils eigene Kandidaten aufgestellt haben, um ihre Verhandlungsposition zu stärken. Am Ende hat es dann eine Einigung gegeben – verbunden mit einer Kooperationsvereinbarung, die man, wenn man so will, als Gegenleistung für die Stimmen von SPD und CDU verstehen kann. Das lief alles recht geräuschlos ab, aber im Ergebnis war klar, dass Dr. Kloth das Rennen macht.
Sie waren dann als Fraktion außen vor?
Wir sind bezogen auf die Mehrheitsbildung nicht mehr gefragt worden. Aber letztendlich, denke ich, fehlt eben auch die Bereitschaft, hinreichend auf unsere Forderungen einzugehen. Und dann ist es auch unsere Rolle, bei unseren Inhalten zu bleiben. Wir haben uns bisher bei den wechselnden Mehrheiten verantwortungsvoll eingebracht und waren auch im Einzelfall einigungsfähig. Und wir haben ja durchaus auch mit anderen Fraktionen in Einzelfragen Mehrheiten gebildet. Wir haben aber eine Verantwortung gegenüber den fast 13 Prozent der Wählerinnen und Wähler, die uns gewählt haben. Die haben uns ja auf der Basis unseres Programms auch einen Auftrag gegeben. Und wenn wir jetzt nur um des Friedens willen anfingen, bei dem Postengeschiebe irgendwie mitmachen, würden wir die Vertrauenskrise, die es in der Politik gibt, noch verschlimmern.
Und wie fühlen Sie sich dabei?
Wir sind keine beleidigten Leberwürste, dass wir uns da jetzt ausgegrenzt fühlen, sondern wir nehmen uns einfach in einer anderen Rolle wahr – und können das, sagen wir mal, mit einer gewissen Gelassenheit ertragen. An den informellen Vorgesprächen waren wir nicht beteiligt. Es gab natürlich Austausch am Rande, man trifft sich ja immer wieder und führt Gespräche – das ist normal –, aber wir waren nicht Teil der eigentlichen Absprachen. Die Praxis, Entscheidungen in Hinterzimmergesprächen mit Investoren zu treffen, ohne alle demokratisch legitimierten Fraktionen einzubeziehen, lehnen wir ab. Wir haben das erst einen Tag vor der Planungsausschusssitzung erfahren und auch eine kleine Anfrage gestellt, die bestätigte, dass solche Gespräche stattgefunden hatten. Transparenz sieht anders aus.
Wie haben Sie die anderen beiden Kandidierenden wahrgenommen?
Wir hatten mit beiden sachliche und freundliche Gespräche. Manche Punkte bei den SPD- und CDU-Kandidaten waren sicher nicht unsympathisch, aber sie standen – nachdem wir sie auf Herz und Nieren geprüft hatten – nicht für einen Politikwechsel in Richtung der Inhalte, die uns wichtig sind. Es war nicht mal so, dass sie uns auch nur ein Projekt angeboten haben, woran exemplarisch deutlich geworden wäre wofür die Linke steht. Selbst das war nicht der Fall. Wir haben uns ja in unserem Meinungsbildungsprozess vorher einen Kriterienkatalog gebastelt – mit fünf, sechs inhaltlichen Punkten, die uns wichtig sind, etwa sozial- und klimagerechte Ausübung der städtebaulichen Planungshoheit zum Beispiel. Da geht es uns unter anderem darum, bezahlbare Wohnungen zu schaffen. In den neuen Wohngebieten müssen soziale Infrastruktur bis hin zu Schulstandorten sowie ausreichende Grünflächen berücksichtigt werden.
Was ist die geringste Erwartungshaltung, die Sie an Dr. Kloth haben?
Dass er sein Amt rechtlich und fachlich korrekt ausübt. Und dass er zumindest, wenn man um Informationen nachsucht, diese dann auch auf den Tisch legt. Und, sagen wir mal, wenn er schon Entscheidungen trifft, die uns politisch nicht passen – damit muss ich ja leben, wenn die Mehrheiten sich anders bilden –, dass zumindest eine sachgerechte Diskussion darüber möglich ist.
Wie bewerten Sie seine Ernennung inhaltlich – gerade mit Blick auf seine bisherige Arbeit als Baudezernent?
Er hat Erfahrung, keine Frage. Aber wir haben in seiner Amtszeit als Baudezernent immer wieder erlebt, dass Entscheidungsprozesse nicht so transparent liefen, wie sie es sollten. Ein Beispiel ist das Bauprojekt an der sogenannten „Runden Ecke“ gegenüber der Fabrik. Ursprünglich war dort Wohnbebauung vorgesehen, dann hieß es plötzlich, wegen angeblicher nachbarlicher Bedenken gehe das nicht mehr. Stattdessen wurde im Zuge einer Tauschaktion der neue Sitz der Sparda-Bank dorthin verlegt – mitten in ein Gebiet, das aus unserer Sicht kulturell und wohnbezogen geprägt sein sollte. Das war aus unserer Sicht ein städtebauliches Desaster – entstanden in einem informellen Hinterzimmergespräch auf Wunsch des Investors, ohne dass alle demokratisch gewählten Fraktionen einbezogen waren. Solche Praktiken sind inakzeptabel, weil sie demokratische Entscheidungsprozesse aushebeln.
Sie haben also Zweifel, dass sich dieser Politikstil mit dem neuen Bezirksamtsleiter ändern wird?
Ja, ehrlich gesagt schon. Wer jahrelang als Baudezernent auf diese Weise gearbeitet hat, wird nicht von heute auf morgen eine völlig andere Linie fahren. Wir haben ihn in unserer Fraktion zur Befragung erlebt, und mein Eindruck war: Viel Veränderungswille ist da nicht. Das ist schade, denn gerade die Stadtplanung ist das Herzstück kommunaler Autonomie. Hier entscheidet sich, ob sozialer Ausgleich und Klimaschutz ernst genommen werden oder ob letztlich die Investoreninteressen dominieren. Unsere Erfahrung ist: Immer wenn wir soziale Auflagen, Begrünungskonzepte oder Quoten für bezahlbare Wohnungen in Verträge hineinverhandeln wollten, verschwanden sie am Ende wieder mit dem Hinweis auf „praktische Undurchführbarkeit“. Am Ende setzen sich fast immer die Investoren durch – und das spüren die Menschen.
In der Kooperationsvereinbarung, die SPD, CDU und Grüne geschlossen haben, taucht Klimaschutz kaum auf. Wie bewerten Sie das?
Das ist tatsächlich auffällig. Diese Vereinbarung umfasst mehrere Seiten, aber der Begriff „Klimaschutz“ taucht dort praktisch nicht auf. Stattdessen geht es um Wirtschaftsförderung und Standortentwicklung. Das mag kurzfristig sinnvoll klingen, aber in einem dicht bebauten Stadtteil wie Altona ist das fatal. Wir haben in diesem Jahr schon mehrere Hitzetage erlebt, und wenn wir weiter so verdichtet bauen wie in Altona-Mitte, dann werden dort in zehn oder fünfzehn Jahren Wohnbedingungen herrschen, die im Sommer unerträglich sind. Das weiß man heute schon – und trotzdem wird gebaut, als gäbe es kein Morgen
Verändert diese Kooperationsvereinbarung die Rolle der Linken als Opposition?
rüher gab es wechselnde Mehrheiten, und da waren wir als Linke häufiger gefragt. Jetzt haben sich SPD, CDU und Grüne rechnerisch zu einer Zweidrittelmehrheit zusammengeschlossen. Das ist erdrückend – und es führt dazu, dass wir oft außen vor bleiben werden. Wenn wir heute bei der SPD nachfragen, ob sie bei einem Antrag mitgehen, heißt es häufig: „Wir müssen das erst mit den anderen besprechen.“ Das gab es in dieser Form früher nicht. Unsere Aufgabe wird jetzt also klar die der Kontrolle sein – über kleine Anfragen, Akteneinsicht, Nachfragen im Ausschuss. Aber auch das wird schwieriger: Die Antworten, die wir bekommen, sind oft unvollständig oder ausweichend. Das haben wir unter der Leitung von Herrn Kloth mehrfach erlebt.
Sie kritisieren also auch den Umgang mit der Opposition?
Ja, das muss man leider so sagen. In der vergangenen Wahlperiode haben wir immer wieder gemerkt, dass Transparenz und Offenheit nicht gerade Priorität hatten. Wenn man Anfragen stellt, gehen die Antworten durch viele Hände – und was am Ende übrig bleibt, ist oft wenig aussagekräftig. Hinzu kommt der Umgangston. In der letzten Sitzung zum Beispiel, bei der es um den Bebauungsplan Holsten-Areal ging, haben wir einen durchdachten Forderungskatalog eingebracht – nichts Radikales, sondern fundierte Vorschläge. Trotzdem wurden wir, insbesondere von den Grünen, regelrecht abgebügelt. Ich finde, so geht man miteinander nicht um. Man kann ja inhaltlich anderer Meinung sein, aber man sollte sachlich bleiben. Wir arbeiten sorgfältig, wir begründen unsere Anträge – und es ist respektlos, das einfach als „unpassend“ oder „nicht zuständig“ abzutun. Leider hat sich dieser raue Ton in Altona inzwischen eingebürgert. Das ist kein guter Stil für eine demokratische Kultur.
Welche Konsequenzen ziehen Sie für Ihre politische Arbeit im Bezirk?
Wir werden unsere Oppositionsrolle wahrnehmen, sachgerecht Alternativen aufzeigen und den Kontrollauftrag ernst nehmen. Wir müssen darauf achten, dass die Kontrolle der Verwaltung funktioniert und dass unsere Wählerinnen und Wähler sehen, dass wir ihre Interessen vertreten.
Was erwarten Sie vom neuen Bezirksamtsleiter, welche Themen sind aus Ihrer Sicht die drängenden?
Mindestens erwarten wir, dass Herr Dr. Kloth sein Amt rechtlich und fachlich korrekt ausübt, dass Informationen auf Nachfrage bereitgestellt werden und dass Diskussionen sachlich möglich sind. Er sollte die Planungshoheit im sozialen und im Klimaschutzinteresse ausüben und Entscheidungen nachvollziehbar gestalten. Besonders dringend ist aus unserer Sicht die Schaffung bezahlbarer Wohnungen auf noch vorhandenen Flächen, wie etwa auf dem Holstenareal. Dort muss öffentliches und bezahlbares Wohnen Vorrang haben, um die soziale Lage zu stabilisieren.
Welche Themen will die Linken-Fraktion in der kommenden Amtszeit besonders voranbringen?
Wir stehen für Wohnraumschaffung, soziale Infrastruktur, Klimaschutz in der Stadtplanung, demokratische Beteiligung und Transparenz. Wir wollen verhindern, dass wirtschaftliche Interessen die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner dominieren.
Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen im Bezirk?
Hauptsächlich die soziale und klimagerechte Stadtentwicklung. Viele Menschen finden keine bezahlbaren Wohnungen mehr. Die verdichtete Bauweise in neuen Wohngebieten verschärft die Klimasituation. Dazu kommen politische Prozesse, die oft hinter verschlossenen Türen stattfinden, und die Notwendigkeit, die Demokratie vor rechtspopulistischen Einflüssen zu schützen.
Wie wichtig ist es, dass Bürgerinnen und Bürger stärker in Entscheidungsprozesse einbezogen werden?
Extrem wichtig. Wenn Entscheidungen ohne Bürgerbeteiligung oder Fraktionen wie uns getroffen werden, untergräbt dies das Vertrauen in die Demokratie. Wir brauchen transparente, öffentliche Diskussionen, auch wenn es unbequem für Investoren oder die Verwaltung ist.
Gibt es konkrete Ideen oder Projekte, um mehr Transparenz in der Bezirksarbeit zu schaffen?
Ja, wir fordern, dass Planungen, Investorengespräche und wichtige Entscheidungen stärker öffentlich gemacht werden. Auch in städtebaulichen Verfahren sollten alle demokratisch legitimierten Fraktionen frühzeitig beteiligt werden.
Welche Veränderungen würden Sie sich in der politischen Kultur in Altona wünschen?
Mehr Sachlichkeit, weniger persönliche Diffamierungen, frühzeitige Diskussion relevanter Themen und dass die Verwaltung gegenüber allen Fraktionen transparent agiert.
Welche Botschaft möchten Sie den Altonaerinnen und Altonaern in Bezug auf die Bezirksarbeit mitgeben?
Wir bleiben glaubwürdig und vertreten konsequent soziale, demokratische und transparente Interessen. Auch wenn wir nicht Teil der Mehrheitsabsprachen waren, werden wir uns weiterhin für bezahlbare Wohnungen, Klimaschutz, demokratische Teilhabe und die Kontrolle der Verwaltung einsetzen. Vertrauen in die Demokratie muss wiederhergestellt werden.
Wie erleben Sie aktuell die Bedrohung der Demokratie durch rechtspopulistische und extremistische Gruppierungen?
Im Moment ist die Demokratie wieder in einer Phase, in der sie akut gefährdet ist. Aktive Demokraten sind ohnehin immer eine Minderheit. Jetzt sind wir noch einmal durch eine Gruppierung angegriffen, die versucht, sich in den Apparat hineinzufressen. Man muss immer darauf achten, dass solche Tendenzen keine Eigendynamik entwickeln, sondern Grenzen gesetzt werden. Die Grundsätze, die uns ausmachen – Rechtsstaatlichkeit und Demokratie – dürfen nicht mit Füßen getreten werden. Es ist schwer, mit solchen Gruppen umzugehen. Beschimpfungen helfen nicht. Man muss sie an der konkreten Politik messen und entzaubern, auch wenn das arbeitsaufwändig ist. Wir haben erlebt, dass einzelne Abgeordnete AfD-Anträge sachlich und fachlich auseinandergenommen haben, sodass nichts davon übrig blieb. Das ist ein Weg, wie man mit diesen Kräften umgehen muss.
Welche Rolle spielen Parteien wie die AfD in der demokratischen Willensbildung vor Ort?
Diese Gruppierungen erreichen nur Minderheiten. Viele Bürger verfolgen politische Willensbildung nicht aktiv, gucken sich keinen Livestream von der Bezirksversammlung an und hinterfragen die Anträge nicht. Sie werden über soziale Medien politisiert, oft auf Basis verkürzter oder manipulativer Sachverhaltsdarstellungen. Die AfD nutzt Bildersprache und unseriöse Argumentationen, um politische Konsequenzen abzuleiten. Dagegen ist es schwer anzukommen, auch Qualitätsmedien können diese Narrative nicht immer durchbrechen. Wichtig ist, dass die demokratisch legitimierten Fraktionen sachlich bleiben und die Inhalte entkräften.
Wie sollte Ihrer Meinung nach mit rechtspopulistischen Mandatsträgern umgegangen werden?
Man muss rechtsstaatlich korrekt bleiben. Ein Mandat kann nicht einfach aus politischer Laune entzogen werden. Die einzige legale Möglichkeit wäre ein Parteiverbot – das ist ein weiter Weg, den man nicht ad hoc beschreiten kann. Wir müssen uns auf sachliche, argumentative Auseinandersetzung konzentrieren. Das entzaubert die populistischen Strategien. Es verhindert, dass mehr Menschen von menschenfeindlicher Ideologie überzeugt werden. Wichtig ist, dass demokratische Prinzipien und Rechtsstaatlichkeit immer gewahrt bleiben.
Was sehen Sie als Schlüsselaufgabe der demokratischen Kräfte in dieser Situation?
Die Demokratie muss aktiv geschützt werden, auf lokaler Ebene erfahrbar bleiben und gegen extremistische Einflüsse verteidigt werden. Das bedeutet: Transparenz, sachliche Diskussion, Kontrolle der politischen Prozesse und Aufzeigen von Alternativen. Demokraten müssen verhindern, dass Macht ohne demokratische Kontrolle ausgeübt wird. Für mich persönlich ist es eine Lebensaufgabe, dass die Demokratie nicht erstickt, dass Menschen beteiligt werden und dass rechtspopulistische oder extremistische Einflüsse sachlich entkräftet werden.
Letzte Frage: Was treibt Sie an, was motiviert Sie persönlich seit so vielen Jahren?
Wir haben in den achtziger und neunziger Jahren die Republikaner gehabt, die schon recht große Wahlergebnisse hatten. Das gibt es immer wieder in Wellenform. Und das geht nur, wenn aktive und engagierte Demokraten an der Basis dafür sorgen, dass die Pluralität erhalten bleibt. Für mich ist das auch eine Lebensaufgabe. Ich bin seit 40 Jahren in politischen Parteien organisiert – 20 Jahre bei den Grünen, jetzt 20 Jahre bei den Linken. Mein Kernanliegen war immer, dass die Demokratie für die Menschen da ist, wo sie leben und arbeiten, unmittelbar erfahrbar. Demokratie braucht Luft zum Atmen, und dafür zu sorgen, dass ihr nicht die Puste ausgeht, ist zentral. Jede politische Machtausübung trägt die Versuchung in sich, Entscheidungen einfach durchzuziehen und Kontrollmechanismen zu umgehen. Dagegen sperre ich mich. Mir ist die demokratische Erörterung der Dinge wichtig, die die Menschen vor Ort betreffen und deren Entscheidungsfindung berühren.
Herr Strasser, vielen Dank für das Gespräch.