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„Es geht jetzt um Haltung!“

„Die Menschen auf den Straßen geben mir Hoffnung, dass wir in Deutschland unsere historische Verantwortung nicht vergessen und uns täglich daran erinnern, entschlossen für eine offene, solidarische Gesellschaft und gegen den Rechtsruck aufzutreten.“

Im Blitzlicht-Interview spricht Linda Heitmann über die Vorkomnisse der vergangenen Wochen, was sie gerade auf der Straße erlebt, wie sich der Wahlkampf verändert hat und was sie sich für die letzten Wochen wünscht.

Linda Heitmann, BĂĽndnis 90/Die GrĂĽnen

Linda Heitmann sitzt seit 2021 im Deutschen Bundestag. Foto: BĂĽndnis 90/Die GrĂĽnen Hamburg

Wie geht es Ihnen?

Linda Heitmann: Die politischen Ereignisse der letzten Wochen gehen selbstverständlich nicht spurlos an mir vorbei. Gerade auch der aggressive und ausgrenzende Debattenton im Bundestag in der letzten Sitzungswoche ging mir nahe und hat mich traurig gemacht. Ich bin aber gerade deshalb hochmotiviert, auf den letzten Metern noch alles zu geben, damit wir Mehrheiten für eine konstruktive demokratische Regierung nächste Legislatur bekommen.

Der Wahlkampf ist im Endspurt: Wie läuft es für Sie?

Linda Heitmann: Ich bin gerade täglich überall in Altona unterwegs – an Haustüren, beim Flyern vor den S-Bahn-Stationen, im Gespräch mit den Menschen bei Veranstaltungen und beim Besuch verschiedener sozialer Einrichtungen. Dabei erlebe ich viel Zuspruch für meine Arbeit und auch meine politischen Standpunkte. Gerade jetzt geben mir die Altonaer*innen Hoffnung, weil hier Zusammenhalt, Solidarität und Vielfalt im Alltag gelebt werden.

Was erleben Sie auf Ihren Veranstaltungen, womit werden Sie konfrontiert?

Linda Heitmann: In meinem Wahlkreis Altona nehme ich wahr, dass vor allem zentrale Fragen der Daseinsvorsorge die Menschen beschäftigen und ihnen auch Sorgen bereiten – wie bezahlbarer Wohnraum, eine verlässliche Gesundheitsversorgung und die Zukunft in der Pflege. Auch der Klimawandel und damit einhergehende Extremwetter sind Thema. Obwohl sich in den Medien grad vieles um Migrationsfragen dreht, nehme ich die Sorgen hier in Altona hingegen als vergleichsweise gering wahr. Im Gegenteil: Der Bezirk ist schon jetzt sehr vielfältig und die Menschen möchten das friedliche Zusammenleben weiterentwickeln statt plötzlich wieder einzelne in dieser Gesellschaft ab- und auszugrenzen.

Es ist in den vergangenen Wochen viel auf der Welt passiert. Was hat für Sie persönlich und politisch den größten Eindruck hinterlassen?

Linda Heitmann: Die Stärke demokratischer Bündnisse und die vielen lauten Stimmen der Zivilgesellschaft haben mich tief beeindruckt. Die Menschen auf den Straßen geben mir Hoffnung, dass wir in Deutschland unsere historische Verantwortung nicht vergessen und uns täglich daran erinnern, entschlossen für eine offene, solidarische Gesellschaft und gegen den Rechtsruck aufzutreten. Gleichzeitig macht mir Angst, mit welch rasender Geschwindigkeit Donald Trump daran arbeitet, die USA abzuschotten und zu isolieren. Dieser zunehmende Nationalismus wird uns alle weltweit auf lange Sicht um Jahrzehnte zurückwerfen und der Wirtschaft überall stark schaden, davon bin ich überzeugt.

In der vergangenen Woche war im Bundestag eine Menge los. Wie bewerten Sie die Vorkommnisse rund um die Anträge der CDU/CSU?

Linda Heitmann: Es hat mich erschüttert, wie leichtfertig mit den Grundwerten gespielt wird, die unser Land prägen – Menschenwürde, Respekt und die Achtung vor Vielfalt in der Gesellschaft. In derselben Woche, in der wir im Bundestag den Opfern des Nationalsozialismus gedenken, hat die CDU unter Merz nicht nur ihr eigenes Wort gebrochen, sondern auch ein historisches Tabu und den demokratischen Konsens missachtet: dass wir als demokratische Parteien nicht mit rechtsradikalen Parteien zusammenarbeiten und ihnen keine parlamentarische Mitbestimmung ermöglichen. Ich bin dankbar, dass das so genannte „Zustrombegrenzungsgesetz“ am Ende keine Mehrheit gefunden hat – doch das bedeutet nicht, dass wir jetzt aufatmen oder das Ganze als bloßen Ausrutscher abtun können. Im Parlament wurde in der Debatte von der Union offen fremdenfeindlich geredet und argumentiert, da wurden auch in der Sprache so viele Tabus gebrochen, wie ich es nicht für möglich gehalten hatte. Es ist gerade jetzt weiterhin unsere Aufgabe, uns jeden Tag aufs Neue für den Schutz unserer Demokratie einzusetzen, Fremdenfeindlichkeit und Vorverurteilungen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen klar entgegenzutreten, bevor aus Worten Taten werden. Nie wieder ist jetzt!

Spüren Sie im Wahlkampf eine Auswirkung dieser Ereignisse? Wenn ja: Wie äußern die sich?

Linda Heitmann: Natürlich spüren wir die Auswirkungen. Die Debatte über die CDU-Anträge und ihre Zusammenarbeit mit der AfD hat viele Menschen aufgerüttelt. Die Sorge wächst, dass demokratische Grundsätze aufgeweicht werden. Viele fragen sich jetzt noch bewusster: Welche Parteien stehen wirklich für eine wehrhafte Demokratie? Wer grenzt sich klar gegen Rechts ab? Diese Fragen beeinflussen die Wahlentscheidung spürbar. Gleichzeitig gebe ich ganz ehrlich auch zu, dass mir der Dialog mit meinen Kolleg*innen von CDU und FDP seitdem deutlich schwerer fällt, während ich gleichzeitig weiß, wie wichtig es ist, dass er weitergeht! Denn wir brauchen eine handlungsfähige Regierung aus demokratischen Parteien nächste Legislatur. Es geht jetzt um Haltung, um eine klare Entscheidung für Demokratie und sozialen Zusammenhalt. Gleichzeitig sehen wir aber auch, dass diese Entwicklung Menschen mobilisiert. Die Mitgliedszahlen der Grünen steigen in ganz Deutschland auf Rekordniveau, das freut mich sehr.

In den Umfragen gibt es kaum Veränderungen: Wie gehen Sie die kommenden Wochen an?

Linda Heitmann: Wir wissen aus der Vergangenheit, dass gerade die letzten Wochen vor einer Wahl entscheidend sein können. Und die Briefwahl läuft bereits, viele Menschen wählen schon. Angesichts der aktuellen Entwicklungen im Bundestag hoffe ich, dass sich viele die zentrale Frage stellen: Welche Partei bietet die besten Konzepte für die drängenden Herausforderungen unserer Zeit? Für die Klimakrise, bezahlbaren Wohnraum und Lebensunterhaltskosten sowie eine zuverlässige Gesundheits- und Pflegeversorgung. Ich mache hier in den letzten Wochen nichts anders als vorher, sondern erkläre den Menschen weiterhin die Konzepte und Antworten, die wir Grüne auf diese Fragen haben.

Was ist Ihnen fĂĽr den Endspurt besonders wichtig?

Linda Heitmann: Entscheidend ist, jetzt bis zum Schluss mit voller Energie für unsere Ideen zu kämpfen. Mein Ziel ist es, Altona wieder im Bundestag zu vertreten. Deshalb ist es mir wichtig, mit den Menschen kontinuierlich im Gespräch zu sein, ihren Fragen zu hören und ihre Sorgen mit in die Ausschüsse im Bundestag zu tragen. Politik ist kein Monolog, sondern ein gemeinsamer Prozess. Ich möchte gemeinsam mit den Altonaer*innen die Zukunft gerecht gestalten können, positiv in die nächsten Jahre blicken und Altona weiterhin einen lebendigen Ort des Miteinanders und der Vielfalt sein zu lassen – für alle, die hier leben.

Frau Heitmann, vielen Dank für das Gespräch.